Bundestagsrede von Christine Buchholz zu Somalia

In ihrer Rede im Bundestag vom 24. November begründet Christine Buchholz die Ablehnung der Linken für den Einsatz der Bundeswehr am Horn von Afrika.
Sie führt aus, dass der Einsatz weder den Somaliern noch den Seeleuten hilft. Die Bundesregierung und die Bundeswehr ist Teil des Problems, das sie zu beseitigen vorgeben.
Nach Horst Köhler hat nun auch Minister Guttenberg deutlich gemacht, dass die Aufgabe der Bundeswehr die Verteidigung deutscher Interessen sei. Sie richtet sich dabei auch gegen die Konkurrenz „aufstrebender Mächte“ deren Bedarf an Rohstoffen ständig steige. Piraterie und humanitäre Katastrophen sind lediglich der Vorwand für eine Seeraumübung für die Kriege des 21. Jahrhunderts. Hier der Link zum Video der Rede, hier zum Text. Hier ein Hintergrund-Artikel von Christine Buchholz und Stefan Ziefle „Somalia: Die Rückkehr der Kanonenboote“.

Nein zum Einsatz am Horn von Afrika!

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nächste Rednerin ist die Kollegin Christine Buchholz für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Christine Buchholz (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Stellen Sie sich für eine Minute vor, Sie wären in Somalia, Sie wären einer von 3,2 Millionen Menschen, die ohne die Hilfslieferungen der UNO nicht überleben können, Sie müssten sich und ihre Familie ernähren. Vielleicht wäre Ihr einziger Ausweg aus dem tagtäglichen Kampf ums Überleben, sich einer Piratenorganisation anzuschließen.
(Zuruf von der CDU/CSU: So ein Quatsch!)
– Hören Sie sich an, was die Angeklagten in Hamburg zu sagen haben! – Dann verwundert es Sie nicht, dass die Zahl der Piratenüberfälle nicht zurückgegangen ist. Das ist schon mehrfach gesagt worden; ich möchte noch einmal Zahlen hinterherschicken: Von Januar bis September 2010 gab es 126 Piratenüberfälle. Im gleichen Zeitraum des Jahres 2008, also im letzten Jahr vor Atalanta, waren es 87. Piraterie wurde nicht bekämpft. Der einzige Effekt der Mission ist, dass die Piraten ihr Einsatzgebiet ausgeweitet haben.
Es gehört auch dazu, wenn man ehrlich Bilanz ziehen will, zur Kenntnis zu nehmen, dass es im Jahr 2006 die niedrigste Zahl von Überfällen gab. Das lag daran, dass es damals in weiten Teilen Somalias politische Strukturen mit Unterstützung der Bevölkerung gab: die Union der Islamischen Gerichtshöfe. Aber diese Struktur lokaler Autoritäten hat den Regierungen in Europa und in den USA nicht gepasst. Sie gerieten ins Visier des sogenannten Kriegs gegen den Terror. Im Sommer 2006 unterstützte die Bush-Administration eine äthiopische Invasion, in deren Folge 16 000 Somalier getötet wurden und der somalische Staat endgültig zusammengebrochen ist. Der Zusammenbruch des somalischen Staates ist also nicht vom Himmel gefallen, sondern ein Ergebnis der westlichen Intervention.
(Beifall bei der LINKEN)
Westliche Regierungen haben sich ein paar somalische Warlords ausgeguckt und zur neuen somalischen Regierung erklärt. Mittlerweile sind 8 000 Soldaten der Afrikanischen Union, teilweise finanziert mit Entwicklungshilfegeldern aus der EU, in Mogadischu, um diese Warlords zu stützen. Die Bundesregierung und die EU finanzieren einen Krieg mit, der allein in diesem Jahr 2 000 Zivilisten das Leben gekostet hat. Reden Sie also nicht von der humanitären Politik der Bundesregierung in Somalia!
(Beifall bei der LINKEN)
Voraussetzung für ein Ende der Piraterie sowie für die Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen in Somalia sind das Ende des Krieges und eine somalische Regierung, die von den Somaliern akzeptiert wird.
(Beifall bei der LINKEN – Philipp Mißfelder
[CDU/CSU]: Damit verkündet!)
Das kann offensichtlich keine Regierung sein, die sich die westlichen Regierungen handverlesen herausgepickt und militärisch unterstützt haben.
(Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Ach, Quatsch!)
Die Bundesregierung besteht aber darauf, mit darüber zu entscheiden, wer in Somalia regiert. Damit hat sie Mitverantwortung für das Leid sowohl der Somalier als auch der von der Piraterie betroffenen Seeleute.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Bundesregierung scheint fest entschlossen, mit Atalanta ihr erstes Experiment in Sachen Seeraumüberwachung in aller Welt nicht aufzugeben.
(Karl-Georg Wellmann [CDU/CSU]: Ach du lieber Gott!)
Worum es dabei wirklich geht, macht nun nach Horst Köhler auch Minister Guttenberg deutlich, indem er sagt, es gehe darum, den Zusammenhang von regionaler Sicherheit und Wirtschaftsinteressen offen und ohne Verklemmung anzusprechen. Guttenberg wörtlich:
Der Bedarf der aufstrebenden Mächte an Rohstoffen steigt ständig und tritt damit mit unseren Bedürfnissen in Konkurrenz …
Damit ist die Katze aus dem Sack: Die Bundeswehr soll für Einsätze fit gemacht werden, deren Ziele nicht in erster Linie Terroristen oder Kriminelle sind, sondern konkurrierende Staaten.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Spatz?
Christine Buchholz (DIE LINKE):
Ich bin gleich am Ende meiner Rede. Danach darf der Kollege gerne fragen. – Es geht hier weder um das Wohl der Somalier noch um das Wohl der Seeleute. Im Gegenteil: Sie zahlen den Preis für die weltpolitischen Ambitionen der Bundesregierung.
(Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Auweia!)
Deswegen wird die Linke die Operation Atalanta weiterhin ablehnen.
(Beifall bei der LINKEN – Dr. Helge Braun
[CDU/CSU]: Eine Rede von vorgestern! Kader des Sozialismus!)