In der Fragestunde vom 6. Oktober beantwortete die Bundesregierung meine Fragen, warum die Bundeswehr Oberst Klein beförderte, der den Bombenangriff von Kundus mit mindestens 140 Toten befahl, und welche Auswirkungen diese Beförderung auf die Soldaten im Einsatz habe.

Sehr interessant ist die Antwort auf die zweite Nachfrage zur zweiten Frage. Hier gibt Staatssekretär Christian Schmidt zu, dass eine Nicht-Beförderung („Bestrafung“, wie er es nennt) der „Motivation der Soldaten“ nicht förderlich wäre. Wenn also Soldaten Zivilisten töten, ist dies kein Hinderniss für eine Gehaltserhöhung im Rahmen einer Beförderung.

Hier nun die Fragen und die Links zum Videostream der Bundestagssitzung.

Frage 61 – Christine Buchholz:

„Auf Grund welcher Verdienste hat die Bundeswehr Herrn Georg Klein, rund ein Jahr nach seiner Entscheidung zur Bombardierung am 4. September 2009 im Raum Kunduz, bei der bis zu 142 unbeteiligte Personen getötet wurden, in eine höhere Besoldungsgruppe befördert, wie Presseberichten (zum Beispiel BILD online vom 12. September, http://www.bild.de/BILD/news/telegramm/news-ticker,rendertext=13938598.html ) zu entnehmen war, und ist es korrekt, dass mit der Beförderung eine monatliche Gehaltserhöhung von rund 600,- Euro einhergeht?“

Antwort Parlamentarischer Staatssekretär Christian Schmidt:

Video-Stream, Modem (46kBit) : http://webtv.bundestag.de/iptv/player/macros/_v_f_46_de/od_player.html?singleton=true&content=808042

Frage 62 – Christine Buchholz:

„Hält die Bundesregierung die Beförderung Georg Kleins angesichts seiner Rolle bei der Bombardierung vom 4. September 2009 für angemessen und wie schätzt die Bundesregierung die Wirkung dieser Entscheidung auf die Soldaten im Einsatz ein?“

Antwort Parlamentarischer Staatssekretär Christian Schmidt (und Nachfragen):

Video-Stream, Modem (46kBit) : http://webtv.bundestag.de/iptv/player/macros/_v_f_46_de/od_player.html?singleton=true&content=808053

Hier die Mitschrift der Fragestunde:

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:

Wir kommen zur Beantwortung der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Dazu steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Christian Schmidt zur Verfügung. Nun kommen wir zur Frage 60 der Kollegin Christine Buchholz:

Aufgrund welcher Verdienste hat die Bundeswehr Georg Klein, rund ein Jahr nach seiner Entscheidung zur Bombardierung am 4. September 2009 im Raum Kunduz, bei der bis zu 142 unbeteiligte Personen getötet wurden, in eine höhere Besoldungsgruppe befördert, wie Presseberichten (zum Beispiel bild.de vom 12. September 2010, www.bild.de) zu entnehmen war, und ist es korrekt, dass mit der Beförderung eine monatliche Gehaltserhöhung von rund 600 Euro einhergeht?

Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung:

Frau Präsidentin! Kollegin Buchholz, auf Ihre Frage antworte ich wie folgt: Oberst Klein ist in Besoldungsgruppe B 3 eingewiesen worden; die Oberstbesoldung ist A 16 oder B 3. Er hat diesen Dienstposten – Chef des Stabes der 13. Panzergrenadierdivision – seit dem 1. Juni 2008 besetzt; dieser Dienstposten ist nach Besoldungsgruppe B 3 bewertet. Mit seiner Versetzung und damit bereits vor seinem Einsatz in Afghanistan war somit die grundsätzliche Entscheidung verbunden, den Offizier in die zugehörige Besoldungsgruppe einzuweisen. Vor dem Hintergrund der Planstellensituation ist diese Einweisung nicht erfolgt. Infolge der Ereignisse vom 4. September 2009 ist diese Einweisung ausgesetzt worden, bis die Generalbundesanwaltschaft zu dem Ergebnis kam, dass dem Offizier weder völkerstrafrechtlich noch strafrechtlich ein Vorwurf gemacht werden kann.

Die zuständige Wehrdisziplinaranwaltschaft – sie ist unabhängig; ich weise vorsorglich darauf hin – ist im Hinblick auf mögliche Dienstvergehen zu dem gleichen Ergebnis gekommen. Mithin hat die Personalführung mit der Einweisung eine seit der Versetzung ausstehende, zu diesem Zeitpunkt rechtlich gebotene Maßnahme vollzogen. Die damit verbundene Erhöhung beläuft sich brutto auf 803 Euro im Monat.

Lassen Sie mich noch hinzufügen, dass die Einweisung in eine Planstelle in einem Rechtsstaat Ansprüche entstehen lässt, die seitens des Betroffenen möglicherweise durchsetzbar sind. Das muss man bei allen politischen Bewertungen, die sich aus solchen Fragen eventuell herausfiltern ließen, berücksichtigen.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:

Ihre erste Nachfrage, bitte.

Christine Buchholz (DIE LINKE):

Danke, Herr Staatssekretär. – Eine Nachfrage meinerseits: Ist es üblich, dass Soldaten auch dann, wenn sie militärisch nicht angemessen gehandelt haben, befördert werden, wie Sie es eben beschrieben haben?

Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung:

Man muss scharf unterscheiden: Befördert worden ist dieser Mann nicht. Sie müssen unterscheiden zwischen Planstellen,  Dienstposten und Einweisung. Stellen Sie sich vor, Sie wären in einer bestimmten Funktion und bekämen weniger bezahlt, als es Ihrem Anspruch eigentlich entspräche. Bei Oberst Klein war dies schon im Jahr 2008 der Fall. Ich glaube, es ist nachvollziehbar, dass dieser Anspruch realisiert wird, ohne dass er in seinem Dienstgrad eine Veränderung erfahren hat. Er war Oberst und ist Oberst und bekommt Geld und hat Geld bekommen. Die Bundeswehr pflegt nämlich ihre Obersten zu besolden, und zwar korrekt nach dem Bundesbesoldungsgesetz.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:

Damit kommen wir zur Frage 61 der Kollegin Buchholz:

Hält die Bundesregierung die Beförderung Georg Kleins angesichts seiner Rolle bei der Bombardierung vom 4. September 2009 für angemessen, und wie schätzt die Bundesregierung die Wirkung dieser Entscheidung auf die Soldaten im Einsatz ein? Herr Staatssekretär, bitte.

Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung:

Frau Kollegin, ich will festhalten: Diese Frage steht im Zusammenhang mit der Frage 60. Ich erlaube mir,dass ich sie in diesem Zusammenhang unter Bezug auf meine vorherige Antwort beantworte. Ich meine bei aller Diskussion über die Entscheidungen von Oberst i. G. Klein, die wir auch hier im Hause erlebt haben und die sich an die Ereignisse vom 4. September 2009 angeschlossen hat, dass, wenn sich weder eine strafrechtliche noch eine völkerstrafrechtliche noch eine disziplinarrechtliche Verfehlung ergeben hat, es Nobile Officium einer rechtsstaatlich orientierten Verwaltung, des öffentlichen Dienstes ist, nicht in irgendeiner Weise aus politischen Erwägungen weniger oder mehr Geld zu zahlen. Das muss der Rechtsstaat schon aushalten. Ich glaube, er hat auch den Anspruch, dass sich die obersten Verfassungsorgane diesem Denken entsprechend anschließen. Die Generalbundesanwaltschaft ist zwar kein oberstes Verfassungsorgan, aber sie ist beim obersten Gericht angesiedelt. Wir können daher zumindest in diesem Bereich von einer sehr nachhaltigen rechtlichen Klärung ausgehen. Wir haben keinerlei Veranlassung, anders zu handeln, als wir gehandelt haben.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:

Ihre Zusatzfrage.

Christine Buchholz (DIE LINKE):

Meine Frage bezog sich auf die Einschätzung der Bundesregierung in Bezug auf die Wirkung, die dieser Fakt auf die Soldatinnen und Soldaten im Einsatz hat. Nur um das noch einmal kurz auszuführen: Die öffentliche Wahrnehmung, aber auch die Wahrnehmung unter den Soldatinnen und Soldaten ist die, dass man, auch wenn man – wie Karl-Theodor zu Guttenberg gesagt hat – „militärisch nicht angemessen gehandelt“ hat, trotzdem noch entsprechend behandelt wird. Das ist, glaube ich, in der öffentlichen Wahrnehmung tatsächlich ein Problem. Ich bitte Sie, auf den Punkt einzugehen. Vielleicht können Sie dann auch noch auf die Frage der Mehrbezahlung eingehen. Sie haben das jetzt hier korrigiert; in den Pressemitteilungen war ja von 600 Euro im Monat zusätzlich die Rede. Gleichzeitig wird den Opfern der Bombardierung von Kunduz pro Familie – nicht pro Fall – gerade mal eben 3 900 Euro gezahlt. Das ist doch eine Diskrepanz, die in der öffentlichen Wahrnehmung berechtigterweise zu Irritationen führt. Wie bewerten Sie die Auswirkungen auch auf die Bundeswehr und die Soldaten im Einsatz?

Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung:

Vorneweg bitte ich um Nachsicht, dass ich in der Tat diesen Aspekt Ihrer Frage noch nicht beantwortet habe. Ich werde das gerne tun. Die Diskrepanz zwischen den von Ihnen in einen Zusammenhang gebrachten Zahlen will ich für mich so beantworten: Ich halte es für eine unwahrscheinlich große intellektuelle Diskrepanz, beide Themen überhaupt in einen näheren Zusammenhang zu bringen, und sehe keine Veranlassung, zu dieser eigenartigen Vermischung irgendwelche Antworten zu geben. Die Position der Bundesregierung ist hier klar und ist beantwortet worden.

Zum Zweiten. Ich glaube, ich gebe – ohne dass ich das statistisch nachweisen kann, ohne dass es hierzu eine Position der Bundesregierung gibt – nur das wieder, was wir von dem Eindruck der Soldaten der Bundeswehr im Einsatz und ihrer Familien gewonnen haben: Ihre schwierige Tätigkeit bringt auch mit sich, dass man unter Umständen – Sie haben den Bundesminister zitiert – nicht angemessen handelt und doch schnell handeln muss. Wenn eine indirekte Bestrafung durch Gehaltsabzug möglich wäre, dann würden unsere Soldaten – diesen Eindruck habe ich – ein hohes Maß ihrer Motivation verlieren, den gefährlichen Dienst, in den wir sie stellen, dann nicht nur nach Auftrag und Recht, sondern auch mit einem inneren Engagement zu erledigen.