Die Erweiterung nach Osten ist von zentraler strategischer Bedeutung für das Militärbündnis. Wenn sich die NATO in Straßburg und Baden-Baden feiert, wird sie wahrscheinlich versuchen, die Aufnahme Albaniens und Kroatiens als „gute Nachrichten“ zu verkaufen. Die Erweiterung nach Osten ist neben dem Krieg in Afghanistan von zentraler strategischer Bedeutung für das Militärbündnis. Die Weichen für die Osterweiterung hat die NATO bereits Anfang der 1990er Jahre gestellt. Vor zehn Jahren wurden mit Ungarn, Polen und Tschechien die ersten drei ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten in das westliche Bündnis aufgenommen. Inzwischen hat die NATO weitere Staaten eingemeindet. Sie grenzt somit direkt an Russland.
Die nunmehrige Aufnahme Kroatiens und Albaniens entschied der letzte NATO-Gipfel im April 2008 in Bukarest. Dort ebnete das Bündnis auch der Ukraine und Georgien den Weg. Doch obwohl sich USA-Präsident Bush ins Zeug legte, wurde die Aufnahme in den Membership Action Plan (MAP) noch nicht beschlossen. Zumindest einigte man sich in der Abschlusserklärung darauf, dass beide Länder NATO-Mitglied werden sollten. „Das war mehr als ein Kompromiss“, betonte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, „es ist ein Signal.“ Die Aufnahme der Ukraine und Georgiens sind wichtige Meilensteine auf dem Weg zur globalen Militärkooperation, die das Bündnis anstrebt. Es geht um die globale Dominanz der Militärallianz, um Energiesicherheit und um die Stärkung der Mitgliedstaaten gegenüber Russland und der Konkurrenz in Südostasien.
Seit Beginn seines „Partnership for peace“-Programms (PFP) 1994 arbeitet das Bündnis systematisch mit Nicht-NATO-Staaten zusammen. Die Kooperation äußert sich heute vor allem im gemeinsamen Agieren beim »Kampf gegen den Terrorismus« und in der Unterstützung von Militärmissionen der NATO. 1997 schrieb der ehemalige Nationale Sicherheitsberater der USA Zbigniew Brzezinski, heute einer der Obama-Berater, die Ukraine sei „ein neuer und wichtiger Raum auf dem eurasischen Schachbrett“, ein „geopolitischer Dreh- und Angelpunkt, weil ihre bloße Existenz als unabhängiger Staat zur Umwandlung Russlands beiträgt“. Er meinte damit die Kontrolle über 52 Millionen Menschen, wichtige Bodenschätze und den Zugang zum Schwarzen Meer. Der Westen unterstützte die „orange Revolution“ in der Ukraine. Kein Wunder, dass eine der letzten Amtshandlungen der Außenministerin Condoleezza Rice die Unterzeichnung einer USA-Ukraine-Sicherheitscharta war.
Das Beispiel Georgiens zeigt zugleich, wie groß die Gefahr einer neuen Phase der Aufrüstung und Eskalation ist. Auch hier wurde ohne Rücksicht auf Russland die Kooperation mit NATO, USA und EU vorangetrieben. Ein Blick in den Atlas erklärt das rege Interesse: Georgien ist die einzige sichere Möglichkeit, um Gas und Öl aus dem zentralasiatischen Raum sowie Waren aus China auf dem Landweg nach Europa zu bringen. Mithilfe der „Nabucco-Pipeline“ will man der Abhängigkeit der europäischen Staaten von russischem Gas entgegenwirken. Die Unterstützung Georgiens war vielfältig: Die USA und europäische Länder lieferten Waffen und bildeten Soldaten aus. Noch kurz vor dem Georgien-Krieg, im Juli 2008, führten NATO und Georgien ein gemeinsames Manöver im PFP-Rahmen durch. Georgien bezahlte die Zuwendung u.a. mit der drittgrößten Beteiligung an der „Koalition der Willigen“ in Irak. 2000 georgische Soldaten waren 2008 dort, wurden aber von der US-Luftwaffe zurückgeflogen, um sich an den Kämpfen in Folge des Angriffs auf Südossetien zu beteiligen. Es ist also davon auszugehen, dass die USA von der Operation wussten und die Provokation bewusst in Kauf genommen haben.
Im Resultat sieht sich Russland dazu veranlasst, bestehende Rüstungskontrollverträge in Frage zu stellen und selber aufzurüsten. So äußerte sich Wladimir Putin: „Die NATO expandiert. Wir gaben unsere Stützpunkte auf Kuba und in Vietnam auf. Und was bekamen wir dafür? Neue amerikanische Stützpunkte in Rumänien und Bulgarien.“ Die NATO riskiert also eine neue Blockkonfrontation. Russland und China haben erste Schritte in die Wege geleitet, um die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, ein Bündnis mit vier weiteren Staaten der zentralasiatischen Region, zu einem Militärbündnis auszubauen.
Die Bundesregierung spielt in dem Kampf um die globale NATO eine doppelte Rolle. Zum einen unterstützt sie die Erweiterungsbestrebungen der NATO und ist an der Aufrüstung Georgiens beteiligt. Mit Blick auf profitable Geschäfte mit Russland will sie es sich aber auch nicht mit Moskau verscherzen und bremst die allzu offensiven Vorstellungen der USA und osteuropäischer Politiker. Doch die NATO ist auf dem Weg zu einer globalen Interventionsmacht. Die beschriebene Osterweiterung geht Hand in Hand mit Versuchen, Besatzungsregime wie in Afghanistan zu schaffen und neue Kooperationspartner im asiatischen Raum zu finden. Der wirtschaftlichen Globalisierung folgt die militärische.
Christine Buchholz ist Mitglied im Bundesausschuss Friedensratschlag und im geschäftsführenden Bundesvorstand der Partei DIE LINKE.
Erschienen in: ND-Beilage zum NATO-Gipfel Nein zur NATO – 60 Jahre sind mehr als genug, 28.3.2009 ,
Herausgegeber: Neues Deutschland und International Coordinating Committee „No to war – No to NATO“